«Fündig wurden die drei Musiker und ihr langjähriger Weggefährte, Produzent Simon Kistler, schliesslich im hügeligen Toggenburg»
Drei Jahre nach dem letzten Langspieler schreitet Anna Rossinelli an die Oberfläche, nimmt den musikalischen Faden wieder auf und geht den eingeschlagenen Weg des letzten Albums «Takes Two To Tango» weiter. Dass sich die Band Zeit gelassen hat, ist jedem einzelnen neuen Song anzuhören. Hier sitzt jeder Stein auf dem anderen, jede Silbe passt, jedes Instrument hat seinen Platz. Kaum verwunderlich, denn viele Einfälle existierten bereits lange vor den offiziellen Studioaufnahmen. In über einem Jahr sammelte das Schweizer Trio um Anna, Georg Dillier und Manuel Meisel Songideen, Skizzen, nahm Demos auf und bahnte sich den Weg in Richtung Studio. Dieses sollte nicht irgendwo stehen. Am besten weit weg von all dem, was irgendwie als Ablenkung wahrgenommen werden konnte. Fündig wurden die drei Musiker und ihr langjähriger Weggefährte, Produzent Simon Kistler, schliesslich im hügeligen Toggenburg. Eine abgelegene Lachsfarm diente drei Wochen als Rückzugsort und Entstehungsstätte des «White Garden». Digital Detox und Abgeschiedenheit als Inspiration für ein neues Kapitel.
Kaum eingetaucht, wird dem eingefleischten Rossinelli-Fan schnell klar: Hier ist etwas anders. Doch vertraut, aber irgendwie neu. Die elf Songs des neuen Albums umgibt eine angenehme Frische. Altbewährtes trifft auf Modernes, Analoges auf Digitales, Saiten- vermischen sich mit Synthi-Klängen. Als hätte man den neusten Wurf in ein elektronisches Basenbad getunkt. Zuständig dafür ist Pablo Nouvelle. Der Schweizer Elektronika-Musiker und DJ begleitete die Entstehung des vierten Langspielers als Co-Produzent. So treibt etwa ein pumpender Synthesizer den Eröffnungssong «Eyes Closed» vorwärts und erzeugt eine bedrohlich warme Atmosphäre, die einem fast den Atem raubt. Die Midtempo-Nummer «Feel It» – auf der Anna mit Manuel Felder (The Gardener & The Tree) zusammenspannt – könnte während einer durchtanzten Nacht in der dunkelsten Club-Ecke entstanden sein.
Es sind aber nicht nur die elektronisch angehauchten Tracks, die Anna Rossinelli in ein neues Licht tauchen. So glaubt man sich im Titelsong «White Garden» irgendwo in einer Disco der 80er wiederzufinden. «Jewellery» etwa hätte Destiny’s Child in den Nullerjahren als R’n’B-Perle gutgestanden. Und «Hold Your Head Up» zeigt Anna Rossinelli so zerbrechlich, wie man sie wohl noch nie erleben durfte. Die Midtempo-Ballade trifft in Herz und Bauch eines jeden, dem Schmerz und Gefühlschaos nicht fremd sind. «I turned myself into a tragic memory» – die Baslerin lässt uns an ihrem Leben teilhaben und macht klar: Die letzten Jahre waren ein Auf und Ab: Liebe, Musik, Trennung, Schmerz, Neuanfang, Musik. Was nach einem grossen Drama klingt, sieht die Sängerin und Musikerin heute äusserst reflektiert: «Was einem Menschen im Leben wiederfährt, das prägt ihn auch. Man geht vorwärts, man verändert sich».
All dies ist vergleichbar mit einem grossen «weissen Garten», in dem die Zähler auf Null zurückgestellt werden. Darin gilt es, all die sonst so bunten Dinge neu zu bemalen und neu zu gestalten, um schlussendlich einen Neuanfang zu wagen und das Leben in all seinen Facetten zu geniessen.
Das Album «White Garden» ist jetzt überall erhältlich.